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Exkursionen und Börsen

Beeindruckendes „Granitdorf“ und eine Säge ohne Zähne …

03.08.2024

Diesmal ist die „steinreiche“ Gemeinde Demitz-Thumitz, gelegen am Fuße des Klosterbergs, einem Westausläufer des Lausitzer Berglandes, unser Exkursionsziel.
Nicht ganz übereinstimmend mit der im sehr gut gestalteten Flyer „Demitz-Thumitz – das Granitdorf“ dargestellten markierten Granitdorf-Route, die zu den 15 besonderen Sehenswürdigkeiten des Ortes führt, beginnen die an der Tages-Exkursion am 3. August teilnehmenden 19 Mitglieder unserer Bezirksgruppe Ostsachsen des VFMG e.V. ihren Rundgang in der Christuskirche.
Regina Grohmann, die unsere Gruppe am Vormittag durch Demitz-Thumitz führt, weist darauf hin, dass dieses Gotteshaus erst in den Jahren 1951/1952 erbaut wurde und zwar in vorwiegend freiwilliger Arbeit der Dorfbewohner – und wie sollte es anders sein, natürlich überwiegend aus dem heimischen Granit. Auch der Altar, das Taufbecken und andere sakrale Gestaltungselemente im Innenbereich sind aus Granit „gesteinmetzt“.
Auch auf dem neben der Kirche befindlichen Friedhof sind zahlreiche Grabsteine und Mahnmale aus Granit zu sehen.
Nur wenige Meter weiter befindet sich das Areal der Sächsischen Steinmetzschule. Sie ist deutschlandweit die älteste Ausbildungsstätte für angehende Steinmetze. In der im Jahr 1908 eingerichteten Fachschule, die natürlich inzwischen völlig modernisiert ist, werden gegenwärtig Steinmetz- und Bildhauerlehrlinge aus Sachsen, Thüringen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt ausgebildet.
Nach dem Mittagessen führt uns Martin Grohmann, der auch ehrenamtlicher stellver-tretender Bürgermeister von Demitz-Thumitz ist, weiter auf der Granitroute durch den Ort. Aus Granit gestaltete Wegsäulen leiten zu den einzelnen Stationspunkten mit Info-Tafeln zu den jeweiligen Sehenswürdigkeiten.
Auf dem im Jahr 2011 angelegten Spielplatz entdecken wir eine völlig neue Seite des Granits: Auf den „Klangsteinen“, die in ihrer Anordnung an ein Xylophon erinnern, erzeugt Martin Grohmann mit einem kleinen Hammer einfache Melodien. Und wenn man seinen Kopf in ein Loch in einer Granit-Stele steckt und dabei eine Melodie summt, staunt man, wie der Granit die Töne verstärkt.
Danach besuchen wir das Technische Denkmal „Alte Steinsäge“. Bereits im Außen-bereich werden wir auf einen Drehkran, Baujahr ca.1880, aufmerksam. Er diente einstmals zum Umladen von Rohsteinen (Granitblöcken) auf die Loren, um sie zur Steinsäge transportieren zu können. So ein Block wog rund 730 Kilo!
Daneben ist eine alte, rekonstruierte Pflaster-Spaltmaschine zu sehen, die erstmals 1902 am Klosterberg im Bruch eingesetzt wurde (bis zu 300 solcher Maschinen waren dort in Betrieb). Die Tagesleistung eines Pflasterschlägers betrug damals etwa 3000 Stück – daraus konnten rund 30 Quadratmeter Kleinpflaster verlegt werden.
In einer kurzen Filmvorführung können wir die schwere Arbeit der Steinbrucharbeiter sozusagen „hautnah“ sehen – vom Sprengen riesiger Granitblöcke aus dem Gestein, deren Zerlegung in große Blöcke (alles in Handarbeit) bis hin zum Verladen und Abtransport.
Anschließend führt uns Martin Grohmann die Arbeitsweise der „Alten Steinsäge“ vor und erklärt die technischen Details. Die Steinsäge war von 1880 bis 1996 in Betrieb, wurde 2012 restauriert und ist zu den jeweiligen Schauvorführungen voll funktionsfähig. Allerdings hat sie keine „Zähne“, wie man eigentlich von Sägen weiß, sondern sie ist völlig zahnlos und „zerschleift“ bzw. trennt Granitblöcke durch Druck und „Einschleifen“ eines speziellen Schleif-Granulats in die jeweilig gewünschte Größen.
Auf dem Dorfplatz bestaunen wir eine Sonnenuhr (wieder aus Granit gestaltet), die erst dann funktioniert, wenn man sich selbst zum „Schattenstab“ macht, indem man sich mit den Fersen an das entsprechende Datum auf der Bodenplatte stellt. Der eigene Schatten fällt damit auf die aktuelle Ortszeit …
Dann wandern wir weiter zum Eisenbahn-Viadukt, dem wohl markantesten Zeugnis der langjährigen Tradition des Granitabbaus in Demitz-Thumitz. Die Brücke mit mehreren Bögen wurde von 1844 bis 1846 erbaut, als die Bahnstrecke von Bischofswerda bis Bautzen und Görlitz verlängert wurde. Sie ist 240 Meter lang und etwa 17 Meter hoch.
Und sie markiert eigentlich den Anfang der Demitz-Thumitzer „Granitgeschichte“. Denn ursprünglich sollte für den Bau Sandstein aus dem Elbsandsteingebirge verwendet werden, Die ersten Bauteile waren auch bereits angeliefert – doch die Transportwege waren sehr lang und mühsam und auch kostenintensiv. Dadurch kam man auf die Idee, doch lieber den heimischen Granit dafür zu nutzen, der sozusagen direkt vor der Haus- tür lag. Zum Viadukt-Bau waren 700 Arbeiter eingesetzt – von der Rohstein-Gewinnung, der Herstellung der Mauersteine bzw. –blöcke bis hin zur eigentlichen Errichtung des Bauwerks.
Vorletzte Station unseres Rundgangs ist dann der „Große Bruch“. Er entstand 1929 durch das Zusammenwachsen zweier Brüche, die 1874 und 1886 angelegt wurden und erst im Jahr 1990 wurde die Gewinnung des Rohstein-Granits eingestellt.
Man hat errechnet, dass die abgebaute Steinmasse etwa 3,1 Millionen Kubikmeter bzw. 8,3 Millionen Tonne umfasst – das sind etwa 415 000 Eisenbahnwaggons zu je 20 Tonnen! Ein Güterzug wäre dann rund 4000 Kilometer lang und würde die Strecke von Lissabon bis Moskau voll einnehmen …
Vom „Großen Bruch“ zurück führt uns der Weg vorbei an einer sehr schön gestalteten Denkmal-Anlage, die dem Gedenken der im ersten Weltkrieg gefallenen Betriebs-angehörigen der Firma Kunath sowie der bei der Arbeit in den Granitbrüchen ums Leben gekommenen Arbeiter gewidmet ist. Ihre Namen sind in einem großen Obelisken eingetragen, der aus einem einzigen Granitblock hergestellt worden ist – eine beeindruckende Steinmetz- Meisterleistung.

Jürgen Nitschke
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